Nach der „Legenda Aurea”, 13. Jh

Nicolaus kommt von nicos, das ist Sieg, und laos, das ist Volk, und heißt also: ein Überwinder des Volks, nämlich aller Untugenden, die gewöhnlich und gemein sind. Oder er heißt Sieg des Volks, weil er viele Völker durch Ermahnung und Beispiel gelehrt hat, wie sie die Untugenden und Sünden sollen überwinden. Aber Nicolaus kommt von nicos, Sieg, und laus, Lob: sieghaftes Lob. Oder es kommt von nitor, Glanz, und laos, Volk: Glanz des Volks; denn in ihm war das, was rein und glänzend macht. Denn wie Ambrosius schreibet: Rein macht göttliche Rede, rein macht wahre Beichte, heilige Betrachtung, gutes Tun.

Sein Leben haben aufgeschrieben die Meister von Argos. Argos aber ist, wie Isidorus schreibt, eine Stadt in Griechenland, daher man die Griechen auch Argiver nennt. Auch findet man, Methodius der Patriarch habe es griechisch aufgeschrieben, und der Diacon Johannes es ins Lateinische übersetzt und etliches hinzugetan.

Nicolaus ist geboren aus der Stadt Patera, von frommen und reichen Eltern: sein Vater hieß Epiphanius, seine Mutter Johanna. In der Blüte ihrer Jugend schenkte Gott den Eltern dieses Kind; darnach lebten sie keusch, in göttlicher Liebe.

Des ersten Tages, da man Sanct Nicolaus das Kindlein baden sollte, da stund es aufrecht in dem Becken, und wollte auch am Mittwoch und Freitag nicht mehr denn einmal saugen seiner Mutter Brust. Als das Kind zu Jahren kam, schied es sich von den Freuden der anderen Jünglinge und suchte die Kirchen mit Andacht; und was er da verstand von der heiligen Schrift, das behielt er mit Ernst in seinem Sinne. Als sein Vater und seine Mutter tot waren, begann er zu betrachten, wie er den großen Reichtum verzehre in Gottes Lob und nicht zu der Ehre der Menschen.

Da war ein Nachbar, edel von Geburt und arm an Gut, der hatte drei Töchter, die wollte er in seiner Not in die offene Sünde der Welt stoßen, dass er von dem Preis ihrer Schande leben möchte. Als das Sanct Nicolaus hörte, entsetzte er sich über die Sünde; und ging hin und band einen Klumpen Goldes in ein Tuch und warf ihn des Nachts heimlich dem Armen durch ein Fenster in sein Haus und ging heimlich wieder fort. Da es Morgen ward, fand der Mann das Gold, dankte Gott, und richtete davon der ältesten Tochter Hochzeit aus. Nicht lange darnach tat Sanct Nicolaus dasselbige zum andern Mal. Als der arme Mann wiederum das viele Gold fand, lobte er Gott von Herzen und setzte sich vor, hinfort zu machen, dass er den Diener Gottes fände, der ihm in seiner Armut so zu Hilfe käme.

Darnach kürzlich warf Nicolaus Goldes zweimal so viel in das Haus denn zuvor; da erwachte der Mann von dem Falle des Goldes und eilte dem Heiligen nach und rief „Steh stille und lass mich dein Antlitz schauen” und holte ihn ein und erkannte, dass es Sanct Nicolaus war; und fiel vor ihm nieder und wollte ihm seine Füße küssen. Das wehrte ihm Nicolaus und gebot ihm, dass er diese Tat nicht sollte offenbar machen, so lange er lebte.

Nun war zu der Zeit der Bischof von Myra gestorben; da kamen viel Bischöfe zusammen, dass sie einen andern an seine Statt wählten. Unter ihnen war einer von großer Gewalt und Ansehen, an des Urteil stund das Auserwählen der Andern. Der ermahnte sie allesamt, dass sie in Fasten und Gebet verharren sollten; aber des Nachts kam eine Stimme zu ihm die sprach „Du sollst zur Mettenzeit die Tür der Kirche behüten, und der erste Mensch, der zu der Kirche kommt, des Name auch Nicolaus ist, den sollst du zum Bischof weihen”. Das tat er den anderen kund und ließ sie mit Andacht im Gebet verharren, er selbst blieb an der Kirchentür und wartete. Nun fügte es Gott, dass zur Mettenzeit Sanct Nicolaus zuerst zu der Kirche gegangen kam vor allen andern. Da hielt ihn der Bischof an und sprach „Wie heißest du?” Nicolaus neigte voll heiliger Einfalt sein Haupt und antwortete „Ich bin genannt Nicolaus, ein Diener eurer Heiligkeit”. Da führten sie ihn in die Kirche, und setzten ihn, ob er sich gleich sträubte, auf den Bischofsstuhl. Doch verharrte Nicolaus in seiner Einfalt und Reinigkeit und in nächtlichem Gebet; er peinigte seinen Leib und floh die Gemeinschaft der Weiber, er war demütig und gar gleich gegen jedermann, beredt in seiner Rede, fleißig in göttlicher Ermahnung, streng in guter Strafung. Man liest auch in einer Chronik, dass Nicolaus mit auf dem Conzil von Nicaea sei gewesen.

Es geschah, dass Leute auf dem Meer fuhren, die kamen in große Not. Da riefen sie Sanct Nicolaus an und sprachen „Nicolaus, du Knecht Gottes, wenn das wahr ist, was wir von dir haben gehört, so lass uns deine Hilfe erfahren”. Zustund erschien ihnen einer, der ihm gleich sah, und sprach „Ihr rufet mir, hier bin ich”. Und fing an und half ihnen an den Segeln und Stricken und anderem Schiffsgerät; alsbald war das Meer gestillt. Da sie nun zu Lande kamen, gingen sie zu seiner Kirche: und ob sie ihn gleich nie zuvor gesehen hatten, so brauchte ihn doch niemand ihnen zu weisen, und erkannten ihn alsbald. Sie dankten Gott und ihm für ihre Rettung. Er aber sprach „Nicht ich, sondern euer Glaube und Gottes Gnade haben euch geholfen”.

Darnach ward ein großer Hunger in dem Lande, da Sanct nicolaus Bischof war, und war keine Nahrung mehr weit und breit. Auf dieselbe Zeit ward Sanct Nicolaus gesagt, dass Schiffe mit Weizen wohl geladen in den Hafen eingelaufen wären. Da ging er hin und bat die Schiffleute, dass sie aus jeglichem Schiff nur hundert Maß Weizen wollten geben, die Hungernden zu retten. Antworteten die Schiffleute „Vater, das trauen wir uns nicht zu tun, denn das Korn ist zu Alexandria gemessen, und also müssen wir es überantworten in die Scheuern des Kaisers”. Da sprach Sanct Nicolaus „Tut, was ich euch sage, und ich schwöre euch bei der Kraft Gottes, dass ihr keine Minderung haben werdet an eurem Korn gegen des Kaisers Kornmesser”. Die Schiffleute erfüllten sein Gebot; und da sie vor die Diener des Kaisers kamen, hatten sie so viel Maß Kornes, als sie zu Alexandria eingenommen hatten. Da sagten sie das Wunder öffentlich und priesen den Herrn in seinem Knecht. Unterdes teilte Sanct Nicolaus das Korn unter das Volk nach eines jeden Bedürfnis, und von diesem wenigen Korn ward das ganze Land zwei Jahre gespeiset, und blieb noch genug zur Aussaat übrig.

In demselben Land hatte man die Abgötter geehrt nach alter Gewohnheit, und insonderheit das Bild der Teufelin Diana, also dass noch zu Sanct Nicolaus Zeiten etliche Bauern diesem Glauben dienten und unter einem Baum, der in des Abgotts Ehre geweiht war, ihre heidnischen Opfer hielten. Diese böse Gewohnheit zerstörte Sanct Nicolaus und ließ den Baum umhauen. Das war dem bösen Geiste leid, und er gedachte, wie er sich an Sanct Nicolaus räche; und bereitete ein Öl, das heißt Mydiacon, und ist so kräftig, dass es wider die Natur an Steinen und im Wasser brennt; und nahm eines frommen Weibes Gestalt an, und begegnete Leuten auf dem Meere, die zu Sanct Nicolaus Kirche fahren wollten, in einem Schifflein und sprach zu ihnen „Ich wäre gern mit euch zu dem Heiligen Gottes gefahren, aber ich kann nicht; so bitte ich euch, dass ihr für mich dieses Öl zu seiner Kirche bringt, und zu meinem Gedächtnis die Wände des Vorhofes damit bestreichet”. Damit war sie verschwunden; aber zu derselben Stunde sahen sie ein ander Schifflein daherkommen mit ehrbaren Leuten; unter denen war einer, der war Sanct Nicolaus gar gleich von Gestalt, der sprach „Saget, was hat das Weib mit euch gesprochen oder euch gegeben?” Da sagten sie es ihm alles. Da sprach derselbe Mann „Wisset, dieses Weib ist die schändliche Diana gewesen; und damit ihr sehet, dass es wahr ist, was ich sage, so schüttet das Öl ins Meer”. Sie gossen das Öl aus: da brannte das Wasser wider die Natur, und brannte hoch auf, und währte das lange Zeit. Sie fuhren weiter, bis sie zu Sanct Nicolaus Kirche kamen; da sie ihn sahen, sprachen sie „Wahrlich, du bist es, der uns auf dem Meere erschien und uns von des Teufels Listen erlöset hat”.

In den Zeiten war ein Volk wider die römische Herrschaft aufgestanden. Da sandte der römische Kaiser drei Fürsten aus, das Volk zu bezwingen, die hießen Nepotianus, Ursus und Apilio. Die drei fuhren auf dem Meer wider das ungehorsame Volk, aber ein böser Wind warf sie an das Gestade nahe bei der Stadt Myra. Da lud sie Sanct Nicolaus zu Tisch, denn er wollte hindern, dass ihr Kriegsvolk auf den Märkten Raub täte, wie es solches Volkes Gewohnheit ist. In der Zeit, da Sanct Nicolaus mit diesen Gästen war, geschah es, dass der Landpfleger mit Gelde bestochen ward und drei unschuldige Ritter hinzurichten gebot. Als der Heilige das vernahm, bat er seine Gäste, dass sie eilends mit ihm kämen zu der Stätte, da man die Ritter sollte enthaupten. Sie kamen hin und fanden sie schon knieend, ihre Augen verbunden und das Schwert in der Hand des Henkers aufgehoben. Sanct Nicolaus riss zornig dem Henker das Schwert aus der Hand und schleuderte es weit hinweg, entledigte die Ritter der Bande und führte sie mit sich. Darnach ging er zum Palast des Landpflegers und stieß die verschlossenen Türen mit Gewalt auf. Der Landpfleger eilte ihm entgegen und grüßte ihn; das verschmähte der Heilige und sprach „Du Feind Gottes, du Brecher des Gesetzes, bist du so schamlos, dass du mein Antlitz nach solcher Bosheit wagst anzuschauen?” Nachdem er ihn lange also schwerlich gestraft hatte, baten die Fürsten des Kaisers für ihn um Gnade; und der Heilige nahm seine Reue an und vergab ihm. Darnach empfingen die Fürsten Sanct Nicolaus Segen, und fuhren wider ihre Feinde und überwanden sie gar bald ohne Blutvergießen; und da sie heimkehrten, empfing sie der Kaiser mit großen Ehren. Das mißgönnten ihnen etliche von des Kaisers Gesinde, und bestachen des Kaisers obersten Ratgeber; der verklagte sie bei dem Kaiser, wie sie Übels und Schanden von der kaiserlichen Gewalt hätten gesprochen. Als das der Kaiser vernahm, ward er zornig und ließ sie in einen Kerker beschließen, und gebot, dass man sie ohne Verhör in derselben Nacht töten sollte. Als die drei solches von dem Wächter des Kerkers vernahmen, zerrissen sie ihre Kleider und weinten und klagten. Da gedachte der eine von ihnen, Nepotianus, daran, wie Sanct Nicolaus die drei unschuldigen Ritter hatte erlöst, und ermahnte die anderen, dass sie des Heiligen Schutz sollten anrufen. In derselbigen Nacht erschien Sanct Nicolaus dem Kaiser Constantinus im Traum und sprach „Warum hast du die drei Fürsten gefangen und hast sie ohne Ursach in den Tod verdammt? Stehe bald auf und befiehl, dass man sie ledig lasse. Tust du das nicht, so wisse, ich werde Gott bitten, dass er einen Krieg wider dich aufrege, in welchem du umkommst und eine Speise wirst den Tieren”. Sprach der Kaiser „Wer bist du, dass du des Nachts in meinen Palast bist kommen, und also hohe Worte redest wider mich?” Antwortete Sanct Nicolaus und sprach „Ich bin Nicolaus, ein Bischof zu Myra in der Stadt”. Desselbigengleichen erschien Nicolaus auch dem obersten Ratgeber des Kaisers, der die Fürsten verraten hatte, und sprach „Du verlorener Mensch an Sinnen und an Verstand, warum gibst du deine Gunst, dass Unschuldige in den Tod werden verdammt? Geh eilends hin und rate, dass sie ledig werden, oder dein Leib wird voll Würmer und dein Haus wird zerstört”. Sprach des Kaisers Rat „Wer bist du, der mir so gräßlich droht?” Antwortete Nicolaus „Du sollst wissen, dass ich bin Nicolaus, ein Bischof zu Myra in der Stadt”. Es geschah des Morgens, dass der Kaiser und sein oberster Rat zusammenkamen und sagten einander ihre Träume; da sandten sie alsbald nach den Gefangenen, und der Kaiser sprach zu ihnen „Mit welcher Zauberei habt ihr es vollbracht, dass ihr uns also mit Träumen habt betrogen?” Sie antworteten und sprachen „Wir sind keine Zauberer und haben auch nicht den Tod verschuldet”. Sprach der Kaiser „Kennt ihr einen Menschen, der Nicolaus ist geheißen?” Da sie den Namen hörten, huben sie ihre Hände auf gen Himmel und beteten, dass Gott um Sanct Nicolaus Willen sie wolle erlösen von dem gegenwärtigen Tode. Und sagten dem Kaiser von des Heiligen Leben und Wunderwerken. Da sprach der Kaiser „Gehet hin und lobet Gott, der euch wunderbar erlöst hat um das Verdienst seines Heiligen. Und bringt ihm von mir Geschenke und bittet ihn, dass er mir hinfort nicht drohe, sondern Gott für mich und mein Reich bitte”. Kürzlich hiernach kamen die Drei zu Sanct Nicolaus und fielen ihm zu Füßen und sprachen „Wahrlich, du bist Gottes Knecht und ein sonderlicher Minner Jesu Christi”; und sagten ihm ihre Geschichte. Da hub er seine Hände auf und lobte Gott; und lehrte sie in Tugend leben und sandte sie wieder heim in ihr Land.

Als aber unser Herr seinen Heiligen von dieser Welt zu sich in die ewige Freude wollte nehmen, da bat ihn Nicolaus, dass er ihm seine Engel sende. Und mit gebeugtem Haupt sah er die Engel Gottes zu sich schweben, und fing an und betete den Psalm „In te domine speravi” bis zu den Worten „in manus tuas”, das spricht „Herr, in deine Hände befehle ich meinen Geist”. Damit schied Sanct Nicolaus von dieser Welt im Jahre des Herrn 343; und ward ein süßer himmlischer Gesang vernommen. Er ward begraben in einem Grab von Marmelstein: da entsprach zu seinen Häupten ein Brunnen mit Öl und zu seinen Füßen ein Wasserquell; und noch heutigen Tages rinnt heiliges Öl von seinen Gebeinen, das ist gesund wider alles Siechtum.

Nach Sanct Nicolaus ward ein frommer Mann Bischof in seiner Stadt, der ward von Neidern vertrieben: da stund das Öl und floss nimmer; als er aber wieder zu der Stadt gerufen ward, da floß das Öl als wie zuvor. Darnach über lange Zeit ward Myra von den Türken zerstört. Es kamen aber sieben und vierzig Ritter von der Stadt Bari, denen zeigten vier Mönche das Grab des Heiligen; und da sie es auftaten, sahen sie sein Gebein in Öl schweben. Sie nahmen es und brachten es in die Stadt Bari mit großen Ehren nach Christi Geburt im Jahre 1087.

Ein Christenmann entlehnte von einem Juden eine Summe Geldes, und da er keinen anderen Bürgen haben möchte, schwur er auf Sanct Nicolaus Altar, er wollte es ihm wieder geben, alsobald er könnte. Die Schuld stund lange; zujüngst forderte der Jude sein Geld. Da sprach der Christ, er hätte es ihm gegeben. Der Jude zog es vor Gericht, und dem Schuldner ward auferlegt zu schwören. Der Christ nahm einen hohlen Stab und füllte ihn mit Goldstücken; und trug ihn mit sich vor Gericht, als ob er dieser Stütze bedürfe. Als er nun schwören sollte, gab er dem Juden den Stab zu halten, und schwur, er habe ihm wiedergegeben mehr denn er ihm schulde. Und da der Eid geschworen war, forderte er den Stab vom Juden wieder; der Jude, der die Schalkheit nicht wußte, gab ihm den Stab zurück. Da der Betrüger heimging, überkam ihn eine Müdigkeit und er entschlief auf der Straße bei einem Kreuzweg. Da kam ein Wagen in schneller Fahrt und fuhr ihn tot und zerknirschte den Stab, da das Gold inne war, und das Gold rollte heraus. Als das der Jude vernahm, kam er eilends dahin und erkannte die List. Das Volk riet ihm, er sollte das Gold nehmen; er aber sprach „Das tu ich nicht, es sei denn, daß der Christ von Sanct Nicolaus Gnaden wieder auferstehe: geschieht das, so will ich mich lassen taufen und gläubig werden”. Da stand der Tote auf und lebte; und der Jude ließ sich taufen und ward ein Christ.

Es war ein Jude, der sah die großen Wunder, die der heilige Nicolaus wirkte; darum so ließ er sich Sanct Nicolaus Bild machen und setzte es in sein Haus, und befahl dem Bilde sein Gut, wenn er fernhin fuhr, und sprach „Sanct Nicolaus, alles mein Gut befehl ich in eure Hut, bewahrt ihr mir das nicht gut, ich räch es an euch mit harten Streichen”. Eines Tages nun fuhr der Jude aus und ließ Sanct Nicolaus das Haus hüten; da kamen Diebe, und stahlen alles, was in dem Hause war, nur das Bild ließen sie stehen. Als der Jude wiederkam und sich also beraubt sah, sprach er zu dem Bild „Herr Nicolaus, hab ich euch nicht in mein Haus gesetzt, damit ihr es vor Räubern behütet? Warum habt ihr das nicht getan und den Dieben gewehret? Ich sage euch, ihr sollt Pein leiden für die Diebe: also will ich meinen Schaden rächen an euch und will meinen Zorn in Streichen an euch erkühlen”. Mit dem ergriff der Jude das Bild und peitschte und geißelte es hart. Da geschah ein groß Wunder: als die Diebe das Gut unter sich teilten, erschien ihnen Sanct Nicolaus dergestalt, als ob er die Streiche alle von dem Juden lebendig hätte empfangen, und sprach zu ihnen „Seht, wie schwerlich ich um euretwillen geschlagen und gegeißelt bin, und welche Marter ich habe gelitten. Seht, wie mein Leib voll Striemen ist und rot von Blut! Darum gehet schnell hin und gebt alles wieder, das ihr genommen habt, oder Gott rächt es an euch, daß euer Verbrechen offenbar wird, und werdet alle gehangen”. Sie sprachen „Wer bist du, der zu uns also redet?” Er antwortete „Ich bin Nicolaus, der Knecht Gottes, den jener Jude so grausam geschlagen hat um seines Gutes willen”. In großem Schrecken gingen die Diebe zu dem Juden und erzählten ihm das Wunder, und gaben ihm sein Gut zurück; da sagte ihnen der Jude, wie er dem Bilde hatte getan. Also wurden die Diebe rechtschaffen und der Jude ein Christ.

Ein Mann feierte jedes Jahr das Fest des heiligen Nicolaus gar köstlich seinem Sohne zulieb, der die Wissenschaften lernte. Einst gab er dem Sohne ein Mahl und hatte viel Priester dazu geladen. Es kommt aber der Teufel vor die Tür in eines Pilgers Gestalt und bittet um ein Almosen. Der Vater heißt den Sohn, es ihm bringen, der Knabe läuft hin, findet ihn aber vor der Tür nicht mehr, und eilt ihm nach bis an einen Kreuzweg: da packte ihn der Teufel und erwürgte ihn. Als der Vater das vernahm, war er gar traurig; er nahm den Leichnam und trug ihn in die Schlafkammer und schrie vor großer Betrübnis und sprach „Lieber Sohn, wie ist dir geschehen? Heiliger Nicolaus, ist das der Lohn für die große Ehre, die ich dir immer erwiesen habe?” Solcher Worte sprach er viel; unter dem tät der Knabe seine Augen auf, als ob er aus einem Schlaf erwache, stund auf und war gesund.

Es war ein edler Mann, der bat Sanct Nicolaus sehr, daß er ihm einen Sohn bei Gott erwürbe, den wollte er in seine Kirche führen, und wollte ihm einen goldenen Becher opfern. Sanct Nicolaus bescherte ihm ein Knäblein. Das Kind wuchs heran: da ließ der Vater den Becher machen, den er gelobt hatte. Da er fertig war, gefiel er ihm aber so wohl, daß er ihn selber behielt, und ließ ihm einen anderen machen, dem ersten gleich. Damit fuhr er auf das Meer und wollte sein Kind zu Sanct Nicolaus Kirche führen. Als sie so fuhren, gebot der Vater dem Sohn, daß er ihm Wasser schöpfe mit dem Becher, den er zuerst hatte machen lassen. Da fiel das Kind mit dem Becher ins Meer und sank bald unter. Der Vater weinte bitterlich, doch leistete er sein Gelübde, und opferte den zweiten Kelch auf dem Altar. Als er ihn aber hingestellt hatte, fiel er wieder von dem Altar herab, als sei er herabgestoßen; er hub ihn auf und stellte ihn zum andern Male hin: da ward er wiederum noch weiter hinweggeschleudert. Da noch alles sich darob verwundert, siehe, so kommt das totgeglaubte Kind gesund und unversehrt und trägt den ersten Becher in seinen Händen; und erzählt, wie der heilige Nicolaus gleich bei ihm gewesen sei, da es ins Wasser sei gefallen, und es gerettet habe. Des freuete sich der Vater, und opferte da beide Becher dem heiligen Nicolaus.

Es war ein reicher Mann, der hatte einen Sohn von Gnaden Sanct Nicolauses, den nannte er Adeodatus. Er hatte in seinem Haus eine Capelle gebaut Sanct Nicolaus zu Ehren und beging sein Fest jedes Jahr gar feierlich. Es lag aber das Haus nicht fern von dem Lande der Agarener. Also geschah es, daß Adeodatus einst von den Leuten dieses Landes gefangen ward; die brachten ihn ihrem Könige zu einem Diener. In dem Jahre darnach, am Sanct Nicolaustag, beging der Vater des Knaben das Fest mit Andacht. Zu derselben Zeit stund der Jüngling vor dem König und hub ihm einen köstlichen Becher vor, und gedachte dabei an seine Gefangenschaft, an seiner Eltern Betrübnis, und an die Freuden, die des Tages gewöhnlich waren in seines Vaters Hause bei dem Fest. Und er seufzte von Herzen sehr. Da zwang ihn der König mit Drohen, daß er ihm sagen mußte, was ihm wäre. Und sprach darnach „Dein Nicolaus tue, was er wolle, du bleibst hier bei uns”. Alsbald kam ein großer Wirbelwind und stieß an den Palast und führte den Knaben samt dem Becher mit sich heim vor die Tür der Capelle, da seine Eltern eben Sanct Nicolaus Fest begingen.

Man liest auch, dass dieser Jüngling war von der Normandie; und da er über Meer fuhr, ward er von dem Soldan gefangen. Er ward oft vor ihm geschlagen, und ward auch einst geschlagen an Sanct Nicolaus Tage, und in den Kerker geworfen. Da weinte der Knabe bitterlich, um daß er möchte erledigt werden, und weil er der Freude gedachte, die seine Eltern zu begehen pflegten auf diesen Tag. Da entschließ er unversehens, und wie er erwacht, ist er in seines Vaters Capelle.

[Im gleichen Buch wird unter dem Papst Sankt Pelagius [Pelagius I., 556 - 561, Gedenktag: 1.9.] berichtet:]

Zu der Zeit ward auch Jerusalem von den Gläubigen wieder gewonnen, welches die Sarazenen hatten genommen. Auch wurden die Gebeine Sanct Nicolai übergeführt nach der Stadt Bari. Von diesem Heiligen liest man unter anderem, dass in der Kirche, welche zu dem heiligen Kreuz genannt ist, und liegt unterhalb Sanct Maria de caritate, die neue Geschichte Sanct Nicolai noch nicht gesungen wurde; da baten die Brüder den Prior mit Fleiß, er möchte ihnen erlauben, dass sie sie sängen. Der aber wollte in keiner Weise ihren Willen tun, sondern sprach: es sei nicht ziemlich, alte Gewohnheiten zu wandeln durch neues Ding. Und da die Brüder von der Bitte nicht wollten lassen, sprach er mit Unmut: ’Gehet von hinnen, Brüder, denn ich werde nimmermehr meinen Willen dazu geben, dass neue Lieder und sonderlich dergleichen Gaukelspiel in meiner Kirche werde gesungen’. Da nun sein Fest kam, sangen die Brüder mit Trauern die Frühmette an Sanct Nicolaus Abend; aber da sie sich kaum wieder in ihre Betten hatten gelegt, siehe, so erschien Sanct Nicolaus dem Prior leibhaftig mit schrecklichem Angesicht und riß ihn auf das Pflaster des Dormitorii und hub an die Antiphon zu singen „O pastor aeterne”; und hatte eine Rute in seiner Hand, damit ließ er bei jeglichem Wechsel der Stimmen harte Streiche auf des Priors Rücken fallen; und sang also die Antiphon gar langsam bis zu Ende. Der Prior aber weckte mit seinem Schreien die Brüder alle, und ward halbtot in sein Bett getragen. Als er endlich wieder zu sich kam, sprach er „Gehet hin und singet fürbaß die neue Geschichte von Sanct Nicolaus”.

© Richard Benz: Die Legenda aurea des Jacobus de Voragine. Aus dem Lateinischen übersetzt. Darmstadt 12/1997

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