Nach der „Legenda aurea”, 20. Jh

Der heilige Nicolaus ward zu Patara in Lycien (Kleinasien) als Kind reicher und gottesfürchtiger Eltern geboren, die lange Zeit in ihrer Ehe ohne Erben gelebt, diesen Sohn aber nach langem Gebete von Gott erhielten. Als Knabe und Jüngling besuchte er auf das fleißigste den Unterricht, floh aber alle Gemeinschaft mit ausgelassenen und frechen Jünglingen, noch vielmehr mit dem weiblichen Geschlechte. Er mied auch die bösen Gelegenheiten, züchtigte seinen Leib mit Fasten, Wachen und Bußgürteln und las nur solche Bücher, die ihm zur Tugend oder Wissenschaft dienen konnten. Auf diese Weise bewahrte er seine erste Unschuld in allen Gefahren. Als er in der Gelehrsamkeit und in allen Tugenden Fortschritte gemacht hatte, wurde er von dem Bischofe zu Myra, seinem Onkel und Taufpaten, zum Priester geweiht. Weil er nun zu höherer Vollkommenheit sich für verpflichtet hielt, so verdoppelte er seinen Eifer in der Strenge gegen sich selbst, im Gebete und in allen anderen guten Werken. Die reiche Erbschaft, welche ihm durch den Tod seiner Eltern zugefallen war, verwendete er nur zur Linderung und zum Troste der Notleidenden. Unter diesen waren drei erwachsene Töchter, welchen ihr durch verschiedene Unglücksfälle verarmter Vater geraten hatte, sie sollten sich durch ihre unlautere Preisgebung ihr Brot verdienen, da er kein anderes Mittel wüsste, ihnen zu helfen. Als der heilige Nicolaus dies erfuhr, warf er nachts heimlich so viel Geld durch das offene Fenster in das Schlafzimmer des Vaters, als nötig war, um eine aus den besagten drei Töchtern anständig zu verehelichen. Dasselbe tat er in gleichen Zeiträumen zur Aussteuerung der zweiten und dritten. Durch dieses Werk der Barmherzigkeit war der Vater samt den Töchtern vom zeitlichen und ewigen Untergange gerettet. Nach einiger Zeit musste Nicolaus auf Befehl seines Vetters, des Bischofs, die Leitung eines Klosters übernehmen und tat es mit großer Pünktlichkeit und Sorgfalt.

Inzwischen entstand im Herzen des heiligen Nicolaus durch seine innige Jesusliebe das Verlangen, die heiligen Orte im gelobten Lande zu besuchen und dann in einer Einöde sein Leben zuzubringen. Kaum hatte er am Tage der Abreise das Schiff bestiegen, so prophezeite er den Schiffsleuten, dass bald ein entsetzliches Ungewitter entstehen würde. Die Schiffsleute, welche die Sache besser verstehen wollten, lachten hierzu; allein die Folge zeigte, dass der heilige Mann wahrgesagt; denn es entstand ein so heftiger Sturm auf dem Meere, dass alle Reisenden sich für verloren hielten. Sie ersuchten daher den Heiligen , weil ihm Gott vorher dieses Unwetter geoffenbart, so wolle er auch jetzt durch sein Gebet die augenscheinliche Gefahr des Unterganges, worin sie sich sämtlich befänden, abwenden. Kaum fing der heilige Nicolaus sein Gebet an, da legten sich schon die Winde, und der Sturm nahm ein Ende. Dergleichen Wunder wirkte der heilige Mann auch bei anderen Gelegenheiten öfters; deswegen wird er als ein besonderer Patron von den Schiffsleuten verehrt und angerufen.

Nach seiner Ankunft im gelobten Lande besuchte er die heiligen Orte mit größter Andacht und nahm sich vor, in der Nähe einen Platz zu wählen, wo er Gott in der Stille ruhig dienen könnte. Als er aber durch göttliche Offenbarung ermahnt worden war, seine Rückkehr zu nehmen, gehorchte er sogleich, schiffte sich ein und kam wieder zurück in das Kloster, wo er vorher gewesen war. Allein er durfte dort nicht lange bleiben; denn es wurde ihm von Gott eingegeben, sich nach Myra, der Hauptstadt von Lykien, zu begeben. Die benachbarten Bischöfe hatten sich eben damals zur Wahl eines Nachfolgers des verstorbenen Bischofs erwähnter Stadt versammelt. Als sich diese beratschlagten, wen sie erwählen sollten und ihr Gebet zum Himmel richteten, offenbarte Gott einem derselben, sie sollten denjenigen erwählen, welcher am folgenden Morgen zuerst in die Kirche treten würde, dessen Name Nicolaus wäre. Der heilige Nicolaus kam am bestimmten Tage zuerst in die Kirche, ohne etwas von dieser geschehenen Offenbarung zu wissen. Ein hierzu bestellter Bischof nahm ihn sogleich bei der Hand und führte ihn zu den versammelten Bischöfen, die ihm den göttlichen Willen anzeigten und ungeachtet seiner Tränen und Einwendungen die bischöfliche Weihe erteilten.

Nicolaus befliß sich, jetzt noch heiliger zu leben als zuvor. Er übte mehrere und strengere Bußwerke; aß täglich nur einmal, und zwar nie Fleisch und nahm seine Nachtruhe eine kurze Zeit nur auf einem Strohsacke; die übrige Zeit verwendete er zu Andachtsübungen. Er predigte an allen Sonn- und Festtagen, besuchte alle Pfarreien, sowie die Kranken, Gefangenen und Armen in der Stadt, unter welche er fast alle seine Einkünfte austeilte.

Es lebten damals noch viele Heiden in Myra und hatten ihre Götzentempel. Es kamen auch einige kaiserliche Beamte dahin, welche das Heidentum wieder einführen sollten. Um dies möglichst zu verhindern, ging Nicolaus durch alle Gassen, in alle Winkel und Häuser und munterte die Christen zur Standhaftigkeit auf, ohne dass er eine Gefahr, Verfolgung, oder den Tod selbst fürchtete. Daher wurde er selbst mit vielen anderen auf Befehl der kaiserlichen Beamten ergriffen, aus der Stadt fortgeschleppt und in den Kerker geworfen, wo er vieles Ungemach ausstehen musste und nicht eher daraus befreit wurde, als bis Kaiser Constantin der Große zur Regierung gekommen war. Die größte Freude hatte der heilige Bischof, als dieser Kaiser erlaubte, die Götzentempel niederzureißen und christliche Kirchen zu erbauen. Er selbst legte Hand an und ruhte nicht, bis in seinem Bistume alle Götzentempel zerstört waren. Nach einiger Zeit bekam er auch Gelegenheit, wider die Arianer zu kämpfen, deren Irrlehre er in der großen Kirchenversammlung zu Nicäa 325 verdammen half.

Eustachius, ein geldgieriger Beamter, hatte unweit der Stadt Myra drei reiche Bürger unschuldig zu Tode verurteilt in der Absicht, ihre Güter an sich zu ziehen. Als der heilige Nicolaus dies erfahren hatte, eilte er dahin und traf die benannten Männer wirklich schon auf dem Richtplatze an. Der Scharfrichter wollte schon das Schwert zücken, dieselben zu enthaupten. Nicolaus rief ihm überlaut zu, fiel ihm in die Arme, riss ihm das Schwert aus der Hand, verwies mit scharfen Worten dem ungerechten Richter seine Gottlosigkeit und befreite die Unschuldigen von dem Tode. Noch merkwürdiger ist das folgende. Der Kaiser Constantin hatte auf falsche Anklage des Ablavius, seines Oberhofmeisters, drei vornehme Feldobersten zum Tode verdammt. Diese hatten viel gehört von der Heiligkeit des Nicolaus, des noch lebenden Bischofs zu Myra, und riefen Gott, er wolle ihnen durch denselben zu Hilfe kommen. Was geschieht? In der Nacht vor jenem Tage, an welchem das Urteil an diesen Unschuldigen vollzogen werden sollte, sah Constantin im Schlafe den heiligen Nicolaus vor sich stehen und hörte, wie er ihm den göttlichen Zorn androhte, wenn er nicht sogleich das über die Unschuldigen gesprochene Todesurteil widerrufen würde. Auf dieselbe Weise erschien der Heilige dem gottlosen Ablavius. Beide erschraken darüber heftig, stellten die Unschuldigen auf freien Fuß und sendeten sie mit vielen Geschenken zu dem heiligen Nicolaus, sich bei demselben zu bedanken. Fast zu der nämlichen Zeit erschien der heilige noch lebende Bischof den Schiffsleuten auf dem Meere, als solche in größter Gefahr des Unterganges ihn angerufen hatten. Sie sahen alle erstaunt, wie er augenblicklich erschien, das Steuerruder selbst ergriff und das Schiff glücklich an das Land führte. Als sie sich bei ihm bedankten, sprach er: „Meine Kinder, gebet Gott die Ehre, ich bin ein armer Sünder;” führte sie aber beiseits und sagte ihnen, dass ihre Sünden, die er ihnen benannte, die Ursache der erlittenen Gefahr gewesen seien, ermahnte sie zur ernstlichen Buße und ließ sie von sich. Wegen dieser und anderer Wunder nannte man den heiligen Bischof den Wundermann seiner Zeit. Alle Lebensbeschreiber des Heiligen berichten, dass er auch viele Tote zum Leben erweckt habe. Unter diesen waren auch drei Kinder, welche grausam ermordet und in einen Zuber geworfen worden waren. Bei diesen außerordentlichen Gnadengaben blieb der heilige Nicolaus so demütig, dass er am Ende seines Lebens nur durch die Barmherzigkeit Gottes die Seligkeit erhoffte. Gott tröstete ihn aber hierüber mit den Worten: „Nicolaus, ich werde deine Treue belohnen.” Bald nachher offenbarte er ihm auch die Zeit seines Todes. Er starb in einer leichten Krankheit mit dem Troste der heiligen Sakramente am 6. Dezember im Jahre 352 zu Myra. Sein heiliger Leib wurde 1087 nach Bari in Unteritalien überführt. Aus seinen Gebeinen fließt ein heilkräftiges Öl.

© P. Wilhelm Auer: Goldene Legend. Leben der beiden Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres. Nach P. Matthäus Vogel neu bearbeitet. Köln (1904)

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