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Weckmann

In den frühen Tagen der Kirche war es üblich, sonn- und feiertags nach dem Gottesdienst als Kommunionersatz denen, die die Eucharistie nicht empfangen hatten, nicht hatten empfangen dürfen (= Büßer, Katechumenen) oder nicht hatten empfangen können (= daheimgebliebene Kranke), gesegnetes, aber nichtkonsekriertes Brot zu reichen. In der griechisch- und russischorthodoxen Liturgie hat sich dieser Brauch erhalten, der auf die urchristliche Agapefeier (Liebesmahl) nach dem Gottesdienst zurückgeht, die wiederum ein Brauch ist, den die Juden noch heute pflegen: Nach dem Kabalath-Sabbath, dem Gottesdienst am Freitagabend zum Sabbathbeginn, versammeln sich alle Gottesdienstteilnehmer zu einem gemeinsamen Mahl. Im Laufe der Zeit erhielt das dabei verwandte Gebäck eine auf den Festinhalt bezogene Form. Man nennt es Gebildebrot. Der Weckmann, ursprünglich wohl nur ein am Nikolaustag übliches Nikolausgebäck, später auch am Tag des Martin und heute in der gesamten Adventzeit üblich, (Stutenkerl oder Piepenkerl im Westfälischen; Hefekerl in der Schweiz; Kloskählsche in Neuss, aber auch Printenmann, Hanselmann, Klasenmann, Jahresmann) ist ein Gebildebrot, also eine mit Weizenmehlteig geformtes oder in den Teig geformte Figur: Dargestellt ist ein Bischof! Die heute meist vorfindliche Tonpfeife ist ein Irrtum: Dreht man die Tonpfeife mit dem Kopf nach oben, so erkennt man noch heute, dass statt der Tonpfeife ursprünglich ein Bischofsstab angebracht war. Die Tonpfeifen kamen nach dem 1. Weltkrieg auf, als die Westerwälder Pfeifenbäcker neue Absatzmärkte suchten. Der mindestens seit dem 15. Jahrhundert bekannte Weckmann hat seitdem eines Siegeszug angetreten, der ihn heute auch in Bäckereien Süddeutschlands, in München ebenso wie in Stuttgart oder Freiburg „heimisch” hat werden lassen. Die Bezeichnung Printenmann drückt die Form des Gebildebrotes aus, Stuten, Stutenkerl und Weck(en), Wegge oder Weckmann, Wegg(e)mann, bezeichnen Teigart und Form des Gebäcks.

Wegg(e)mann > Weckmann

Wegge > Weckmann

Weihnachtsbescherung

Der ironische Ausspruch, dass etwas eine schöne (Weihnachts-) Bescherung sei, kennzeichnet die Zwiespältigkeit, die mit der Bescherung heute verbunden ist. Der nur im Deutschen gebräuchliche Terminus „Bescherung” ist abgeleitet von dem mittelhochdeutschen Wort „beschern”, das „zuteilen” oder „verhängen” bedeutete. Verwendet wurde der Begriff meist in Verbindung mit Gott oder Schicksal: „Es ist mir (von Gott) beschert”. Weil die Weihnachtsgeschenke als Geschenke des „Christkinds” dargestellt wurden, also eine Art von nicht hinterfragbarer Zuteilung waren, wurden Kinder „beschert”. Zeitpunkt und Form der Bescherung variieren: Heute werden die Kinder meist am Heiligabend nach Anbruch der Dunkelheit zur „Bescherung” gerufen, andererseits ist es in vielen Familien auch üblich, dass die Kinder ihre Geschenke am Morgen des ersten Weihnachtstages finden. In den Familien wird in der Regel kein „Kinderbeschenker” bemüht, in katholischen Familien traditionell nie ein „Weihnachtsmann”. Ein personifiziertes „Christkind” oder ein leibhaftiger „Nikolaus” tauchen am Heiligabend im Familienkreis prinzipiell nicht auf. Wenn die Geschenke auf eine solche Person zurückgeführt werden, wird unterstellt, dass sie heimlich da waren Das heimliche Schenken über Nacht ist ein Nikolaus-Relikt.

Weihnachtsmann

Um 1535 schafft der Reformator Martin Luther die Kinderbescherung am Nikolausabend durch den hl. Nikolaus ab. Protestantische Kinder erhalten seitdem Weihnachten Geschenke durch den „heiligen Christ”. Das Christkind eroberte zuerst das evangelische Deutschland und erst ab 1900 schließlich auch - konfessionsüberschreitend - das katholische Bayern und Rheinland. Um 1930 hatte sich schließlich in Nordwest- und Südwestdeutschland „das Christkind”, in den anderen Landesteilen der Weihnachtsmann als Gabenbringer durchgesetzt. In den protestantischen Niederlanden dagegen blieb das Schenkfest am Nikolaustag ebenso erhalten wie Nikolaus als Gabenbringer. Der von den Niederlanden in die „Neue Welt” exportierte Nikolaus wurde zum Santa Claus, verlegte aber die Bescherung auf den 25. Dezember. Vermischt mit aus Deutschland importierten Vorstellungen eines Väterchen Winter (Herr Winter, Holzschnitt von Moritz von Schwind, 1847) verliert Santa Claus in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die eindeutige Bischofskleidung (Mitra, Stab, Brustkreuz, Chormantel, Stola etc.) und erhält einen mit Pelz besetzten Mantel und eine ebensolche Pudel- oder „Plümmelmütze” und wird in den USA zum Father Christmas. Im Vordergrund steht nun die Vorstellung von einem deutschen, oberpfälzischen Vater Winter: Pausbäckig mit Bäuchlein, gemütlich und weißbebärtet, ergibt sich eine Mischung von Nikolaus, Großvater und Landgerichtspräsident. In dieser neuen Figur verschmelzen der gute Heilige und sein böser Begleiter zu einer Person. Aus dem hageren, asketischen Nikolaus wurde ein „weltlicher Herr”; durch sein „Umstylen” war er nun säkularisiert. Die inhaltliche Metamorphose wurde äußerlich in seiner Erscheinung nachgeholt, ikonographisch und inhaltlich hat sich der Weihnachtsmann nun vom Nikolaus gelöst. Der „Macher” dieser neuen Figur ist der 1840 in der Pfalz geboren und 1846 mit seiner Mutter in die USA ausgewanderte Thomas Nast. Während des amerikanischen Bürgerkriegs (1861 - 1865) kreierte er aus dem Pelznickel seiner Kindheit und dem in niederländischer Tradition stehenden Santa Claus den amerikanischen Weihnachtsmann: Aus dem Asketen Nikolaus war ein gemütlicher, rotgewandeter Dicker geworden. Der weiße Pelzbesatz zur roten Kleidung schließlich erhielt der Weihnachtmannes 1932 durch Coca Cola. Der Weihnachtsmann in die „Hausfarben” von Coca Cola wünschte in einer USA-weiten Plakat-Aktion neben einem Gabenstrumpf eine „erfrischende Pause”. Seit diesem außerordentlich erfolgreichen Werbefeldzug ist der Weihnachtsmann standardisiert. Der rote Mantel kann sich also nicht auf eine ungebrochene Tradition berufen und als letztes bischöfliche Attribut eine gewisse Alibifunktion haben. Das letzte ikonographische Element versteckt sich eher, als dass es offen erkennbar ist: die Plümmelmütze. Wie bei den Gartenzwergen als einziges Herkunftsrelikt die spitz nach vorn geneigte rote Mütze bleibt, so auch beim Weihnachtsmann. In der phrygischen Mütze ist der Hinweis auf die kleinasiatische Herkunft des Nikolaus enthalten. Als Weihnachtsmann nach Deutschland und Europa reimportiert, hat er in evangelischen Familien weitgehend das Christkind abgelöst, das dafür in den katholischen Familien, die die Kinderbeschenkung zu Weihnachten nachvollzogen haben, Asyl gefunden hat. Im überwiegend katholischen Süden und Westen Deutschlands glaubten die Kinder nach einer volkskundlichen Befragung 1932 vorzugsweise an das Christkind, im Norden und Osten dagegen an den Weihnachtsmann. Die konfessionsunterscheidende Funktion von „Christkind” und „Weihnachtsmann” ist seitdem weitgehend aufgeweicht. Im Ausland (Frankreich: Papa Noel; Italien: Baba Noel; Türkei: Aba Noel ...) hat der Weihnachtsmann weitgehend die Rolle des weihnachtlichen Gabenbringers übernommen, sofern zu Weihnachten beschert wird. Inzwischen ist der Weihnachtsmann wirklich „ein Mann von Welt” und stachelt als Animateur zu weihnachtlichen Kauforgien an. Das einst ausgesprochen positive Image des Weihnachtsmannes wandelt sich: Die Titulierung „Sie Weihnachtsmann” gilt nicht gerade als Belobigung und wer als „ein (richtiger) Weihnachtsmann” etikettiert wird, ist ein wunderlicher, einfältiger Mensch. Als diese Redewendung um 1920 aufkam, sollte sie die Vollbartträger verächtlich machen. „Noch an den Weihnachtsmann glauben” (vgl. „noch an den Klapperstorch glauben”) meint einfältig, unaufgeklärt, unerfahren sein. Diese Redewendung ist gleichfalls um 1920 aufgekommen und entspricht dem französischen „croire encore au Père Noël”. In den Niederlanden führte der Einzelhandelsverband 1995 eine Aktion durch und verbuchte einen klaren Punktsieg für St. Nikolaus gegen den Weihnachtsmann. Auf der einen Seite formieren sich die Sinterklaas-Fans, die keinen Weihnachtsmann auf niederländischem Territorium dulden wollen, und auf der anderen Seite stehen die Anhänger des - angeblich deutschen - Weihnachsmannes. Wie einen Kultursieg verkünden die Eiferer: „Sinterklaas kommt in diesem Jahr in 3,8 Millionen Haushalte, der Weihnachtsmann nur in 2,8 Millionen Familien”. Bürgermeister haben ihre Gemeinden zu „Weihnachtsmannfreien Zonen” erklärt und gleich das passende Schild neben dem Ortsschild gehangen, Geschäftsleute, die sich nicht an die „Regel” halten, müssen mit Ärger rechnen: Ihnen wird ein „Weihnachtsmann-Verbotsschild” - ein mit rotem Balken durchgestrichener Weihnachtsmann - auf die Schaufensterscheibe geklebt. Geschäftstüchtige Niederländer sehen diesen „Kulturkampf” mit großem Vergnügen und heizen ihn immer wieder an: Schließlich darf man darauf hoffen, dass demnächst in den Niederlanden außer am 6. Dezember auch noch am 25. Dezember geschenkt (und damit vorher gekauft!) wird. Das zum Auftauchen des Weihnachtsmannes passende Lied „Morgen kommt der Weihnachtsmann” hat 1835 kein Geringerer als Hoffmann von Fallersleben verfasst.

Winter, Herr oder Väterchen

Der „Herr Winter”, 1847 (vgl. Weihnachtsmann), verleiht dem Sankt-Nikolaus-Ersatz Gestalt: eine Mischung aus fröhlichsenilem Dickerchen, gekoppelt mit einem pennerhaften Eremiten-Outfit. Väterchen Winter bot die Vorlage für die marxistische Variante: Väterchen Frost. Anders der Winter der Frühlingsbräuche. Eine mit Stroh verkleidete Person spielte den Winter, der höflich verabschiedet, vertrieben oder spielerisch ums Leben gebracht wurde (Winterverbrennen), damit der Sommer seinen Platz einnehmen konnte. Verschiedentlich nimmt der Winter die Gestalt des schwarzen Mannes und des Todes ein.

Wotan

Die dämonischen Gestalten, die Nikolaus begleiten, Angst einjagen und sich zum Teil hinter Teufelsmasken verbergen, sollen nach Auffassung einiger Volkskundler den germanischen Gott Wotan symbolisieren. In einem Kindervers heißt es:
Wer kommt denn da geritten?
Der Wude, Wude Nikolaus.
Lasst uns nicht lange bitten
und schüttle deinen Beutel aus.
Wode, Wude, Wotan hatte vor Nikolaus am 6. Dezember seinen Festtag. Auch an seinem Fest soll man (Holz-) Schuhe vor die Haustüre gestellt haben, gefüllt mit Möhren oder Brotstückchen, und dazu Hafer als Futter für sein Pferd. Für dieses Gaben zugunsten des Pferdes von Wotan erwarteten die Kinder eine Belohnung. Bezeugt ist dieser jetzt auf Nikolaus bezogene Brauch seit dem 16. Jahrhundert. Auf Wotan bezogen gelten für einige Autoren auch die Hörnchen, ein Festgebäck in Form des Hufeisens (Martinshörnchen, Lutherbrötchen), das auf die in den Wotanmythen belegte Wilde Jagd zurückgehen soll.

Wunschzettel

Bis zur Reformation war das Kinderbeschenken kaum mit Weihnachten verbunden (vgl. Gabenbringer, Kinderbeschenktage). Im Biedermeier des 19. Jahrhunderts bürgerte sich der Wunschzettel ein, mit dem Kinder des gehobenen Bürgertums ihre Eltern als Vermittler gegenüber dem Gabenbringer einsetzten. Dieser neue Brauch wird durch sein materielles Interesse an den „richtigen” Geschenken gekennzeichnet, der besitzenden Kreisen vorbehalten war. Vom Einkehrbrauch zu Nikolaus ist hier nur noch die Form erhalten, der Brauchgehalt ist verschüttet. In Köln schrieben die Kinder einen Wunschzettel an den heiligen Nikolaus, den sie in einem besonderen Beichtstuhl im Dom einwarfen, auf dem der heilige Nikolaus mit Schülern im Pökelfass abgebildet war. Auch heute schreiben Kinder auch noch an den Nikolaus, vielfach auch an den Weihnachtsmann Wunschzettel. Die Wunschzettel gelangen jedoch nicht immer direkt an die Eltern. „Moderne” Kinder benutzen die Post und adressieren zum Beispiel „An den heiligen Nikolaus” oder „An das himmlische Postamt”. Briefe dieser Art gelangen nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur an eins der sieben deutschen „Weihnachtspostämter” mit einschlägigem Namen: 49681 Nikolausdorf, 66352 Sankt Nikolaus/Saar (= Großrosseln), 16798 Himmelpfort, 21709 Himmelpforten, 31137 Himmelsthür, 97267 Himmelstadt oder 51766 Engelskirchen. Die Kinder erhalten von hier zwar keine Geschenke, wohl aber eine Antwort: Diese Postämter halten vorgefertigte illustrierte Antworten und Briefmarken mit Sonderstempel bereit. Aber es gibt in Deutschland noch weitere „Nikolaus-Orte”: 06556 Niklausrieth, 14129 Nikolasee (= Berlin), 37077 Nikolausberg (= Göttingen), 83739 Nikolasreuth, 84034 Nikola (= Landshut), 97956 Niklashausen (= Werbach). Wenigstens 150 Jahre lässt sich der Brauch, an das Christkind oder den Weihnachtsmann Wunschzettel zu schreiben, zurückverfolgen. Während in schlechten Zeiten Wünsche nach neuen Spielsachen eher hinter den Wünschen nach Reparatur alter, defekter oder beliebter Spielsachen zurückstehen, sind heute die Wünsche eher „marktkonform”: Gewünscht wird, was es auch im Handel zu kaufen gibt. Die entsprechende Beschreibung aus dem Katalog liegt u. U. dem computergeschriebenen Wunschzettel praktischerweise gleich bei. Um die Jahrhundertwende wurde der Wunschzettel auf vorgedruckte, kunstvoll dekorierte Karten mit farbig illustrierten Vorderseiten geschrieben.

Wurf- oder Streuabend

Als Vorläufer des Einlege- und des Einkehrbrauches wurden am Niko-lausabend Äpfel, Nüsse, Gebäck und Süßigkeiten in einen Raum geworfen, in dem sich die Kinder der Familie aufhielten oder aber über Nacht Geschenke ausgelegt. Später wurden die Geschenke wohl in die Schuhe gesteckt, die Futter für den Esel des heiligen Nikolaus enthielten. Das Nikolaus-Schiffchen war einen von den Kindern gebastelter Gabenteller. Auch wurden im Haus Strümpfe zu diesem Zweck aufgehangen. Auf diese Weise wurde die Legende von den drei Jungfrauen nachgespielt, die von Nikolaus jeweils einen Goldklumpen empfingen. Für 1836 wird aus Münster berichtet, dass dort die Waisenkinder der Stadt in der früheren Nikolaiskapelle auf dem Domhof versammelt wurden; durch eine Öffnung im Gewölbe regneten Gaben auf die Kinder herab.